Fragen an Teresa Darian
Seit 2010 sind Sie bei der Kulturstiftungs des Bundes für den Bereich Kulturelle Bildung zuständig. Was umfasst Ihren Aufgabenbereich?
Ich betreue das Thema Vermittlung und Kulturelle Bildung – und damit auch alle Programme und Anfragen zu diesem Thema.Es gehört beispielsweise zu meinen Aufgaben als Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen den status quo im Feld der Kulturellen Bildung kontinuierlich zu verfolgen, mit den Akteur*innen zu sprechen und Bedarfe zu diskutieren, um dann daraus eigene Modellprogramme abzuleiten und zu entwickeln. All dies mache ich in enger Zusammenarbeit mit unserer Künstlerischen Direktorin Hortensia Völckers.
So entstehen dann Programme, wie „lab.Bode - Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen“. Hier war es uns wichtig, Museen zu fördern und zu vernetzen, die ihrer Vermittlungsarbeit im Haus einen anderen Stellenwert einräumen und neue Formate erproben wollen. Oder auch ganz aktuell das Programm „JUPITER“, mit dem wir die Darstellenden Künste für junges Publikum stärken wollen. Wir fördern auch Modellprojekte, wie das Projekt des Kolumba Museum oder beispielsweise die Einrichtung von Jugendgremien in Museen, mit der die Kulturstiftung Museen unterstützt, die sich für mehr Mitsprache junger Menschen und ihre Themen öffnen und diese dauerhaft in der Arbeitspraxis verankern wollen. Zudem bin ich in vielen Jurys und bundesweiten Gremien, wie der Arbeitsgruppe Vermittlung im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz, wodurch ich mit den Kolleg*innen in dem Feld im engen Austausch bin.
Was versteht man unter Kultureller Bildung? Was ist die zentrale Aufgabe der Kulturellen Bildung?
Tja, das ist eine sehr große Frage – ich versuche es mal ganz kurz: Kulturelle Bildung ist Musik und Tanz, Theater und Beatboxen, gestalten und zerlegen, Räume öffnen, wo keine Räume vermutet werden, betrachten und hinterfragen, entwerfen, zeigen und verwerfen … all dies zu ermöglichen – und zwar für alle, unabhängig von ihrer (sozialen) Herkunft, ihrem Bildungshintergrund etc. – das ist Kulturelle Bildung.
Was reizt Sie an dem Forschungsprojekt K³ - Kinder Kunst Kolumba, sodass eine Förderung ausgesprochen wurde?
Junge Besucher an Kunst und Kultur heranzuführen, dieser Aufgabe stellen sich mittlerweile alle Museen – wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Kein Kunstmuseum hat aber bislang einen Sammlungszweig mit Kunst von Kindern beziehungsweise Minderjährigen.
Das Kolumba Museum möchte mit dem Projekt „Kunst im Kunstmuseum – von Kindern“ nun einen Sammlungszweig mit von Kindern geschaffener Kunst aufbauen und dazu gemeinsam passende Vermittlungsformate entwickeln und erproben.
Da dies bundesweit bislang einzigartig ist und für den Sammlungszweig ebenso die klassischen Aufgaben eines Museums – Sammeln, Erforschen, Ausstellen und Vermitteln – gelten, sind viele offene Fragen zu klären, wie z.B. die Eigentums- und Bildrechte von Minderjährigen oder nach welchen Kriterien Kunst von Kindern bewertet wird. Das ist im besten Sinne ein Modellprojekt.
Welcher Impuls soll aus Sicht der Kulturstiftung des Bundes vom Projekt ausgehen? Was sollte im besten Fall mit den Ergebnissen aus einem Forschungsprojekt passieren, damit die Förderung für Sie gelungen ist?
Die Kulturstiftung des Bundes fördert unter dem Titel »Museen verändern« umfassende Programme, wie lab.Bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen, Stadtgefährten, Museum Global etc., die an geeigneten Orten Impulse setzen, um die musealen Kernaufgaben von Bewahren, Erforschen, Vermitteln und Ausstellen neu auszubalancieren und neue Wege bei der Vermittlung der Themen, der Präsentation einer Sammlung und der Mitwirkung von Besucherinnen und Besuchern zu erproben. Das Kolumba Museum hat durch die Kooperation mit den Buchkindern in Leipzig schon sehr früh Kinder als Expert*innen einbezogen, sammelt alle Bücher der Buchkinder Leipzig und hat damit den Sammlungsbegriff eines Kunstmuseums für sich neu definiert. Diese Zusammenarbeit mit Kindern führt zu einem Umdenken im Haus und zu einer Veränderung des gesamten Museums. Idealerweise findet zu diesem Ansatz ein Austausch mit Besucher*innen und dem Fachpublikum statt.
Wie ist die Nachhaltigkeit, die Langlebigkeit von geförderten Projekten?
In unseren Modellprojekten ist es uns besonders wichtig, dass nicht nur das Projekt stattfindet, sondern auch die gesammelten Erfahrungen an andere Häuser weitergegeben werden – so können andere Partner mitlernen. Außerdem entstehen in den Modellprojekten oft Partnerschaften, die auch über das Projekt hinaus bestehen bleiben. Im besten Falle haben die Häuser selbst ein Interesse daran, die Projekte nach der Erprobungsphase fortzuführen – das ist natürlich immer wünschens- und erstrebenswert.
Im Projekt K³ - Kinder Kunst Kolumba ist einer der Kernfragen und Knackpunkte zugleich, wie ist die rechtliche Handhabe von Kunst von Kindern. Spielen solche rechtlichen Problematiken, Fragen und Belange bei der Förderentscheidung bereits eine Rolle, wodurch man auch ein Scheitern einkalkuliert?
Nein, das spielt keine Rolle und ist in diesem Projekt auch besonders: wie schon gesagt – das Kolumba leistet hier gewissermaßen Pionierarbeit und daher müssen die grundlegenden Fragen erst einmal geklärt werden.
Kann die Bundeskulturstiftung in diesen Punkten, der rechtlichen Abklärung von Sachverhalten unterstützen?
Wir unterstützen die Projektträger bei zuwendungsrechtlichen Fragen zur Verwendung der Mittel. Die Klärung dieser besonderen juristischen Fragen in dem Projekt des Kolumba Museums sind Teil des Projektes und damit auch Aufgabe des Projektträgers – dabei können wir nicht unterstützen – das ist ja letztlich Teil der Forschungsfrage des Modellprojektes.
Sie haben anlässlich eines Vortrags im Jahr 2018 auf der Tagung „Zugang gestalten“ in Frankfurt davon gesprochen, dass bevor Kunstvermittlung beginnen kann, erst einmal Schwellen überwunden werden müssen. Was meinten Sie damit, von welchen Schwellen sprachen Sie?
Wie schon gesagt: (Junge) Besucher an Kunst und Kultur heranzuführen, dieser Aufgabe stellen sich mittlerweile alle Museen – wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Demnach gibt es Vermittlungsangebote in den Museen – aber eben nur für die, die da sind.
Das meinte ich mit „Schwellen“: erst wer einen Schritt ins Museum gesetzt hat, kommt in den Genuss der Vermittlungsangebote. Was ist mit den Menschen, die nicht da sind? Warum sind sie nicht da? Diese Fragen müssen wir uns stellen. Eine lebendige Kulturinstitutionen lädt dazu ein, Wissen zu teilen, Multiperspektivität zuzulassen, Besucher*innen eine Stimme zu geben. Im Rahmen von lab.Bode – Initiative zur Stärkung der Vermittlungsarbeit in Museen sind lab.Bode bikes an Schulen gefahren und haben in den Schulen den ersten Kontakt zu den Schüler*innen hergestellt; die Vermittler*innen arbeiteten in den Schulen zum Beispielen mit Repliken aus dem Museum. Um Schwellen abzubauen brauchen wir eine große Offenheit im Denken und müssen Kulturinstitutionen auch außerhalb der Mauern der Häuser denken.
Sind die Projektfördergedanken oftmals in der Praxis der Realität voraus?
Vielleicht – als Förderer wollen wir gewissermaßen Impulse setzen. Aber wir können immer nur Projekte fördern und damit nur zu einer Änderung der Strukturen beitragen. Schön wäre es natürlich, wenn die Häuser und Kulturinstitutionen selber das Bedürfnis hätten viel mehr in den Bereich Vermittlung zu investieren. Gerade in Zeiten der Pandemie hat sich doch gezeigt, wie wichtig ein guter Kontakt und Austausch mit dem Publikum und den Menschen der Stadtgesellschaft ist. Für einen vielstimmigen Austausch braucht es gut ausgebildete Expertinnen und Experten für Vermittlung auf festen Stellen. Nur so wachsen die Chancen, dass vielseitige, auch experimentelle Vermittlungsformate verlässlich in die Welt kommen und möglichst viele Menschen an Kunst und Kultur teilhaben wollen.
Bildrechte, Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte, Schutz der Kinder, ... Die Arbeit mit und am Menschen werden durch immer mehr - richtige und wichtige - Gesetze nicht leichter. Wo sind der Kulturellen Vermittlung Grenzen gesetzt, die auch die Kreativität, das Miteinander, die Entwicklung von neuen Kulturformen in unsere Gesellschaft verhindern?
Ich glaube nicht, dass es die Gesetze sind, die die Entwicklung von neuen Kulturformen in unsere Gesellschaft verhindern. Es sind vielmehr gewachsene Strukturen, die aufgebrochen werden müssen; ein Umdenken, das einsetzen muss…
Wie hat sich die Vermittlungsarbeit in letzten 10 Jahren Ihrer Tätigkeit verändert? Wo stehen wir in Deutschland mit der Vermittlungsarbeit im Bereich der Kultur?
Es hat sich viel getan – vor allem in dem Bereich der Zusammenarbeit von Kultureinrichtungen mit Schulen und anderen Partnern – dadurch sind neue und auch langfristige Formate und Kooperationen entstanden, die zeigen, was gute Vermittlungsarbeit auszeichnet und was sie bewirken kann. Aber es ist leider noch nicht so, dass der Bereich der Vermittlung in den Kulturinstitutionen und der Förderung den Stellenwert hat, der notwendig wäre, um allen Menschen einer Stadtgesellschaft oder Region ein Angebot machen zu können. Wir brauchen für den Bereich Vermittlung in den Kulturinstitutionen verlässliche Strukturen und Budgets, aber auch ebenso selbstbewusste Vermittler*innen, die gut gelaunt mit den Kurator*innen und Dramaturg*innen zusammenarbeiten und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, ebenso ein selbstbewusstes Publikum, das Vielstimmigkeit und Mitsprache einfordert.
Wo und in welchem Bereich ist, noch Luft nach oben?
In allen Bereichen. Deutlich.
Was hätten Sie sich in Ihrer Kindheit und Jugend an Angeboten gewünscht, die Sie heute auf den Weg bringen?
Ich hatte das große Glück, eine Schule besuchen zu dürfen, die ein eigenes Theater hatte. So war Theater in meiner gesamten Schulzeit ein ganz wesentlicher Bestandteil.
Ich durfte dadurch diese Selbstverständlichkeit, dass die Künste Teil des Schulalltags sind, erleben. Das ist heute an vielen Schulen leider ganz und gar nicht so und dabei wären die Schulen die Orte an denen alle Kinder erreicht werden können.
Deswegen haben wir zum Beispiel das Programm „Kulturagenten für kreative Schulen“ aufgelegt. Hier sind Kulturagenten für vier bzw. acht Jahre an Schulen gegangen und haben mit den Kulturinstitutionen und Künstlern vor Ort passgenau für die jeweilige Schule ein Kunst- und Kulturangebot aufgebaut, das dann auch Teil des Schulalltags wurde. Aus meiner persönlichen Erfahrung und der Erfahrung mit dem Programm kann ich sagen: jede Schule sollte einen Kulturagenten/eine Kulturagentin* haben.
Das Interview führte Kai Geiger