Matchbox 2015 Nibelungen Cycle | Foto: Andreas Neumann

Metropolregion Rhein-Neckar
Zusammenarbeit über Grenzen hinweg

Die Metropolregion Rhein-Neckar ist in allen Bereichen – von Wirtschaft über Bildung bis zu Kultur – stark aufgestellt. Sie ist zugleich eine sehr heterogene Region, die sich über Teile von Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz erstreckt. Über die Grenzen der Bundesländer, Kommunen und Sparten hinweg Anstöße für Zusammenarbeit zu geben, ist das Credo des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Es versteht sich als Ansprechpartner für kulturelle Belange in Rhein-Neckar und Kultur als gesellschafliche Kraft, die die regionale Identität stärken kann. Ein Projekt des Kulturbüros, das die Rhein-Neckar-Region enger zusammenführt, heißt Matchbox: Seit 2015 lädt es renommierte Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland ein, an verschiedenen Orten mit der Bevölkerung Projekte zu entwickeln. Im September ndet im Rahmen von Matchbox das performative Projekt „HAMBACH! Das DemokratieFestival“ rund um das Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße statt.

Wir sprachen mit Thomas Kraus, dem Leiter des Kulturbüros.

www.m-r-n.com/kultur
www.matchbox-rhein-neckar.de

Herr Kraus, kurz gesagt, wie beschreiben Sie die Metropolregion Rhein-Neckar?
Thomas Kraus: Die Metropolregion Rhein-Neckar ist in allen Bereichen, von Wirtschaft über Bildung bis zu Kultur, sehr stark aufgestellt, mit Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen als drei großen, selbstbewussten Zentren. Es ist eine sehr heterogene Region: drei verschiedene Bundesländer und viele unterschiedliche Player aus allen gesellschaftlichen Bereichen, die eng zusammenarbeiten – eine Region starker Partner.

Helfen Sie uns bei der Begriffsfindung. Was ist überhaupt eine Metropolregion?
Thomas Kraus: In Deutschland gibt es insgesamt elf sogenannte Europäische Metropolregionen, die von der Ministerkonferenz für Raumordnung ernannt wurden. Metropolregionen sind in diesem Sinne Ballungsräume von na-tionaler und internationaler Bedeutung, d.h. sie verfügen über wirtschaftliche Stärke, leistungsfähige Infrastruktur, renommierte Forschungs- und Bildungseinrichtungen und einen hohen Freizeitwert. Mit der Verbindung der vermeint- lichen Gegensätze „Stadt“ und „Land“ im Begriff „Metropolregion“ wird deutlich, dass Großstädte und ihr Umland heutzutage durch vielfältige Austauschbeziehungen eng miteinander verbunden sind. Eine Metropole braucht ihr Umland, umgekehrt braucht das Umland die Metropole. Es geht also auch um die Zusammenarbeit verschiedener Akteure innerhalb einer Region.

Denkfest 2017 | Foto: Marcus Heine

Welche Rolle spielt die Kultur in der Metropolregion Rhein-Neckar?
Thomas Kraus: Die Kultur hat seit jeher eine große Bedeutung, also auch schon vor der Ernennung zur Metropolregion im Jahr 2005. Kultur stiftet Identität und ist in vielerlei Hinsicht ein verbindendes Element. Dabei denke ich nicht nur an die gemeinsame Geschichte oder das reiche kulturelle Erbe der einstigen Kurpfalz. Kultur kann und muss in der Gegenwart Menschen verbinden und Antworten auf die Fragen unserer Zeit vorschlagen. Glücklicherweise gibt es in der Rhein-Neckar-Region vielfältige kulturelle Institutionen, die dieses Verständnis teilen. Besonders die Festivals, Museen und Schlösser haben sich seit der Gründung der Metropolregion Rhein-Neckar eng zusammengeschlossen und in ihren Netzwerken erhebliche Schlagkraft entwickelt. Das ist auch das Credo des Kulturbüros der Metropolregion: über die Grenzen der Bundesländer, Kommunen, Branchen und Sparten hinweg Anstöße für Zusammenarbeit zu geben.

Matchbox 2015 Hemsbach, Foto Andreas Neumann

Was sind die Aufgaben und Ziele Ihres Kulturbüros?
Thomas Kraus: Das Kulturbüro begreift sich als Ansprechpartner für kulturelle Belange in der Rhein-Neckar-Region. Wir führen verschiedene Akteure im Kulturbereich zusammen, bieten eine Plattform für den Dialog. Dazu haben wir über 15 Netzwerke etabliert, in denen sich zum Beispiel die Festivalmacher oder die Fotokünstler der Region miteinander austauschen und gemeinsame Projekte und Strategien entwickeln. Regelmäßig veranstalten wir außerdem das Denkfest, eine Konferenz zur Vernetzung von Akteuren aus Kultur, Wirtschaft und Politik. Wir betrachten Kultur als wichtige ge- sellschaftliche Kraft, die das Potenzial hat, die Region voranzutreiben und die regionale Identität zu stärken. Vor allem wollen wir dabei innovative Kunstformen fördern und gute Bedingungen für Künstler und ihre Arbeit in der Region schaffen. Dadurch wollen wir auch Strahlkraft nach außen entfalten und nationale und internationale Aufmerksamkeit für die Kultur in der Rhein-Neckar-Region erzeugen. Diese Ziele haben wir in der Kulturvision Rhein-Neckar entwickelt und festgehalten (www.m-r- n.com/kulturvision).

Sie vereinen in Ihrer Metropolregion drei Bundesländer, das heißt drei verschiedene kulturpolitische Ansätze, die von vier verschiedenen Parteien getragen und geprägt werden. Welchen Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?

Thomas Kraus: Das sind die Voraussetzungen, mit denen wir umgehen müssen. Bei vielen Projekten spürt man diese administrativen Grenzen sehr wohl, aber wenn eine Zusammenarbeit darüber hinweg stattfindet, entwickeln wir eine große Wirkungskraft und können außergewöhnliche Projekte für den Südwesten Deutschlands auf den Weg bringen.

Eines Ihrer Projekte heißt Matchbox – was verbirgt sich dahinter?
Thomas Kraus: Matchbox (www.matchbox-rhein-neckar.de) ist ein ganz besonderes Kunst- und Kulturprojekt. International renommierte Künstler entwickeln an verschiedenen Orten der Rhein-Neckar-Region gemeinsam mit der Bevölkerung Projekte, die sich speziell mit den Besonderheiten der Kommunen beschäftigen. Im Rahmen von Matchbox haben wir inzwischen mit über 20 Kommunen in der ganzen Rhein-Neckar-Region Veranstaltungen umgesetzt, vom Odenwald bis zur Deutschen Weinstraße. Dieses Projekt führt unsere Region noch enger zusammen.

Matchbox 2017 Orangenzimmer | Foto: Giorgio Morr

Für den Herbst dieses Jahres planen Sie eine große Matchbox-Veranstaltung rund um das historisch bedeutsame Hambacher Schloss. Was erwartet die Besucher?
Thomas Kraus: Im September veranstalten wir mit „HAMBACH! Das DemokratieFestival“ ein performatives Projekt rund um das Hambacher Schloss. Das Hambacher Fest, bei dem sich im Jahr 1832 nicht nur Deutsche, sondern auch Engländer, Franzosen und Polen versammelten, wurde zum Ausgangspunkt für die bürgerlichen Revolutionen des 19. Jahrhunderts. Heute ist das Hambacher Schloss ein einzigartiger Erinnerungsort, der eng mit der deutschen Freiheits- und Demokratiegeschichte verknüpft ist. Daran wollen wir anknüpfen, besonders in der aktuellen Situation, in der Demokratien weltweit vermeintlich in der Krise stecken und der europäische Gedanke an Kraft zu verlieren scheint. Vom 8. bis zum 16. Septem- ber 2018 sind Jugendliche aus der Region und aus ganz Europa eingeladen, in Workshops mit internationalen Künstlern und Aktivisten zusammenzukommen und ihr Verhältnis zu Europa und zur Demokratie zu erarbeiten. Höhepunkt ist das öffentliche Festwochenende auf dem Hambacher Schloss vom 14. bis zum 16. September, bei dem zahlreiche Performances stattfinden, wobei die Ergebnisse der Workshops einfließen.

Wovon träumt Herr Kraus? Was fehlt noch in der Kulturregion Rhein-Neckar?
Thomas Kraus: Seit der Gründung des Kulturbüros hat sich unsere Kulturregion extrem weiterentwickelt und ist eng zu- sammengerückt. Ich wünsche mir, dass wir und unsere Partner diese Energie und diesen Gestaltungswillen aufrecht- erhalten und weiter nutzen, um unserer Kulturvision Stück für Stück näherzukommen, denn es ist eine Vision und kein Zielpunkt, den man irgendwann erreicht hat. Kunst und Kultur benötigen ständig den Prozess des Erneuerns und des über sich selbst Nachdenkens.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE KAI GEIGER.

Matchbox 2016 Hemsbach Protocol
© Ralf Mager

Vita Thomas Kraus

Thomas Kraus (* 1961) studierte Geschichte, Politik, Anglistik, englische und amerikanische Literaturwissenschaften in Mannheim und Wales. Am Nationaltheater Mannheim arbeitete er zwischen 1999 und 2006 u. a. als Leiter der Internationalen Schillertage, als künstlerischer Leiter des werkhaus und als stellverttender Schauspieldirektor.

Kraus war Initiator und künstlerischer Leiter des PAZZ – Performing Arts Festivals am Oldenburgischen Staatstheater. International sammelte er Erfahrungen etwa als freier Dramaturg/Regisseur am Contact Theatre Manchester und als Produzent von „Hamlet“ am Nationaltheater Korea. Immer wieder initiierte er international erfolgreiche Projekte wie „All the Sex I‘ve Ever Had“ mit dem kanadischen Kollektiv Mammalian Diving Reex oder die Produktion „Wallenstein – Eine dokumentarische Inszenierung“ von Rimini Protokoll, die zum Theatertreffen 2006 eingeladen wurde.

Seit Mai 2011 leitet Kraus das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH. Dort initiierte er im Jahr 2015 Matchbox, das wandernde Kunst- und Kulturprojekt in der Region Rhein- Neckar, und arbeitete u. a. mit dem international gefeierten Nature Theater of Oklahoma zusammen.

Matchbox 2015 Odenwald Man | Foto: Andreas Neumann