
INTERVIEW - Wir sprachen mit Joo Kraus und Rasmus Schöll
Wie steht es um die Musik und die Bedingungen für Musiker:innen in Ulm?
Joo Kraus: Ich finde ja, dass es seit einigen wenigen Jahren wieder viel besser um die Livemusik und die lokale Szene in Ulm bestellt ist. Das liegt natürlich zum großen Teil daran, dass viele Leute im (sub)kulturellen Bereich, also Künstler und Veranstalter etc. einfach machen, auch wenn es nicht profitabel ist. Damit zum zweiten Teil der Frage: die Bedingungen für Künstler und Kulturschaffende in Ulm sind verglichen mit den Honoraren und Unterstützungen, die es in anderen Bereichen gibt, natürlich viel zu niedrig! Das scheint mir aber kein Ulmer Ding, sondern in Deutschland so üblich leider. Wahrscheinlich weil man weiß, dass die Macher so voller Leidenschaft sind, dass sie es sowieso machen.
Seit einigen Jahren sind Sie mit verschiedensten Formaten in Ihrer Heimatstadt präsent. Wie kam es dazu, was ist Ihr Antrieb?
Joo Kraus: Ich bin ja ca. 90 Tage im Jahr außerhalb Ulms unterwegs, um Konzerte zu spielen. Und ich bin oft so begeistert von meinen Musikern und Bands, dass ich mir jeweils denke: Wow, ich möchte, dass meine Leute in Ulm das auch mitkriegen! Und ich glaube, dass ich über die Jahre ganz schön viel Interessantes und Gutes und Schönes an Musik nach Ulm reingezogen habe und die Leute mittlerweile auch wissen, dass es meist cool ist, was der Joo so macht.
Nach Herzstücke im Café ANIMO, und der durch die Perspektive Pop Förderung des Landes Baden- Württemberg geförderten Reihe Next Generation im Aegis Café veranstalten Sie dort jetzt die Music Lesson mit Joo Kraus. Was passiert in den Music Lessons und wie unterscheiden sie sich von den anderen beiden Formaten?
Joo Kraus: Ich stand mal mit Rasmus Schöll am Tresen und er meinte, ich solle doch öfter hier ins Café kommen und könne eigentlich machen, was ich will. Und da ich nicht immer Konzerte spielen will und die Leute irgendwann mal genug davon haben, dachte ich mir: Was, wenn ich den Leuten eine Stunde Musikunterricht gebe, so wie ich mir ihn immer gewünscht hätte! Das heißt ganz praktisch, dass ich nur am Anfang und am Ende ein bisschen selbst musiziere und zwar, was thematisch zur jeweiligen Stunde passt: Einmal ging’s um lateinamerikanische Musik, einmal um Pentatonic, dann um Rhythmus im Allgemeinen oder um Blechblasinstrumente ... Ich bin immer sehr im Stress, diesen Unterricht vorzubereiten! Und habe ein bisschen die Hosen voll, aber bisher war es immer sehr, sehr amüsant!

Mit dem Jazzkeller Sauschadall seit 1962, dem Verein für moderne Musik, dem Klanghaus Festival im Stadthaus und dem alternativen Kulturzentrum ROXY gibt es vier Player, die sich dem Jazz widmen. Aber ein eigenes Festival dieses Genres gab es bisher nicht in Ulm. Warum eigentlich?
Joo Kraus: Es gab mal ganz kurzzeitig in den Neunzigerjahren die sogenannte Ulmer Jazz Guerilla. Ich glaube für zwei Jahre oder so. Ich spiele ja richtig viel auf Jazz Festivals in ganz Deutschland, zum Teil in winzigen Städten, die ein richtig großes und langes Festival machen. Ich habe keine Ahnung, warum es das in Ulm nicht gibt. Vielleicht weil jeder der einzelnen Macher/Veranstalter so eine ganz bestimmte Sparte bedienen will, die vielleicht einfach zu speziell ist. Hat ja auch was. Aber ich denke, Ulm verträgt auf jeden Fall drei bis vier Tage Jazz and more im Jahr.
Das ändern Sie ja jetzt. Im Herbst (11. – 13.09.2025) wird zum ersten Mal das JOOkebox Festival in Ulm stattfinden. Was erwartet das Publikum dort?
Joo Kraus: Das Festival wird eine geballte Ladung. Gute Musik, auf jeden Fall mit Groove, mit guter Energie mit guten Vibes! Ja, vor allem gute Vibes für offene Geister. Und eben clubmäßig im Saal des Aegis Cafés. Schön nah und direkt und echt! Joo in der Box out of the Box – Jookebox.
Das Festival findet ebenfalls im Aegis Café, einer eher kleinen Location, statt. Wie wichtig ist der Ort und die Zusammenarbeit mit Rasmus Schöll für Sie?
Joo Kraus: Irgendwie hat sich zwischen Rasmus und mir mit der Zeit so eine ehrliche, organische Zusammenarbeit entwickelt. Rasmus hat einen sehr guten Style und Ge- schmack, er weiß die Kunst und die Künstler zu schätzen, und ich weiß es sehr zu schätzen, was er dort mitten in der Stadt macht und für die Musiker und das Ulmer Publikum durchzieht! Das ist so wichtig! Und er macht das, obwohl er woanders viel mehr Geld verdienen könnte, aber darauf kommt’s ihm und mir in erster Linie ja nicht an. Gesellschaft- lich darf man nie unterschätzen und vergessen, wie wichtig solche Plätze und Aktionen sind!

Literatur ist wie die Musik, der Jazz Teil der Kultur. Keine Frage. Daraus folgt aber nicht unbedingt, als Buchhändler auch Konzerte zu veranstalten. Wie kam es dazu?
Rasmus Schöll: Mich haben schon immer die Barrieren und Blasen innerhalb der Kultur interessiert und wie diese zu durchbrechen sind. Wir machen viele Lesungen und Jazz- Konzerte, aber auch vieles, was eben nicht unbedingt innerhalb einer Buchhandlung oder eines Jazz Clubs zu erwarten ist. Das heißt, ich versuche mich daran, an unseren Orten eine Art utopisches Publikum zu ermöglichen, in dem Menschen in die Buchhandlung oder in unser Café kommen und etwas vollkommen Unerwartetes erleben. Wir machen z.B. auch Elektroveranstaltungen, die aber weit über das sonst Gängige hinausgehen, weil es noch analog erzeugte elektronische Musik mit Synthesizern etc. ist. Auf der einen Seite kommen dadurch sehr junge Menschen zu uns, auf der anderen Seite passiert es eben auch, dass eine 80-Jährige das erste Mal in ihrem Leben auf einmal auf einer Elektroparty landet, weil der Kontext es ihr ermöglicht. Dieses Schwingen zwischen dem Publikum passiert mittlerweile durch alle Genres und Veranstaltungsarten.
Was ist das Kulturportfolio vom Aegis Café?
Rasmus Schöll: Ich würde sagen, wir sind enorm breit und gleichzeitig unglaublich kompromisslos. Wir machen Theater, Konzerte von Klassik bis elektronischer Musik, Lesungen, Kunst und Perfomance-Ideen, Kamishibai Theater für Kinder, aber auch Diskussionsrunden und Lesekreise. Das Wichtigste sind die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, dass diese den Ort verstehen und was mit diesem Ort gemeint ist, wie es zum Beispiel mit Joo Kraus der Fall ist. Es geht um Leidenschaft und Feuer für die Kultur, aber eben auch um die Begeisterung und Freude, etwas in diese Welt zu bringen, was sie besser macht. Und natürlich um Qualität, die immer mit Professionalität verbunden ist.

Ist es immer noch eine Investition oder mittlerweile eine Win-win-Situation für Ihr Kerngeschäft, den Buchhandel?
Rasmus Schöll: Ich glaube Kultur ist monetär betrachtet immer eine Investition und es gäbe zum Geldverdienen so viel Klügeres ... Aber gleichzeitig ist es das Beste, was ich tun kann. Geld ist für mich eine Ermöglichung, um Dinge zu tun, aber nie ein Grund, warum ich Dinge tue. Mit Sicherheit investiere ich sehr viel Lebenszeit, die niemals finanziell entlohnt wird (welchem Kulturschaffendem geht es anders?), aber gleichzeitig dürfen Sie sich mich als einen sehr glücklichen Menschen vorstellen – der eben einfach nur ab und zu Geldsorgen hat. Es gibt schlimmere Sorgen und Wichtigeres auf der Welt.
Wie finanzieren Sie die Veranstaltungen und in welchen Partnerschaften, damit es ein kalkulierbares Risko ist?
Rasmus Schöll: Wir haben vor über zehn Jahren einen Kulturverein gegründet, um eben dem Missverhältnis von Geld und wie dieses in der Kultur wirkt (viel zu wenig), Rechnung zu tragen, ich bin kein Träumer – aber ich möchte, dass wir uns als Veranstalter am Ende in die Lage bringen, die Musiker und Kulturschaffenden in der Form zu bezahlen, dass diese sehr gut leben können und eben das tun, was sie am besten können, Kunst schaffen. Und ich sehe genau darin meine Aufgabe: zu ermöglichen. Wir sind leider noch nicht da, wo ich damit zufrieden wäre. Aber es ist ein Weg, den wir gehen.

Sind Sie in Ihrem persönlichen Plan und mit dem Erfolg zufrieden?
Rasmus Schöll: Die Antwort ist sehr einfach. Ja, ich bin glücklich und unendlich dankbar, dass ich das tun kann, was ich tue, und das ist mehr Erfolg, als ich mir je erhofft hätte.
Wie ist die Akzeptanz des Aegis Cafés innerhalb des Ulmer Kulturlebens und wie und in welchen Formaten arbeiten Sie mit anderen Kulturträgern zusammen?
Rasmus Schöll: Es ist ja immer etwas schwierig, von ganz innen nach außen zu blicken, aber ich glaube, wir stellen innerhalb der Ulmer Kulturszene als komplett unabhängige Ein- richtung ein Singulär da und spielen dementsprechend eine Vorreiterrolle.
Wer muss eines Tages im Aegis Café auftreten? Die Top drei Ihrer persönlichen Wunschliste.
Rasmus Schöll: In dieser Welt: 1. Patti Smith 2. Radiohead 3. Cat Power. In einer anderen Welt: 1. The Beatles 2. The Doors 3. Amy Winehouse