Interview mit dem Musiker und Komponisten Gregor Huebner

 

Was ist das Progressive Chamber Music Festival?

Gregor Huebner: Das Progressive Chamber Music Festival in New York und München präsentiert Kammermusik des 21. Jahrhunderts und sprengt die Grenzen zwischen Kammermusik, Jazz, Avantgarde, Folklore, Pop, Hiphop und anderen Genres zeitgenössischer Musik. Es lässt die verschiedenen Stile und klanglichen Richtungen auf oftmals überraschende und kongeniale Weise miteinander verschmelzen.

Wie kam es zur Idee des Progressive Chamber Music Festivals?

Gregor Huebner: Auf einer Sirius Quartet-Tour in Deutschland und in China, auf der wir unter anderem mit Uri Cane und Theo Bleckmann spielten, kam uns die Idee für diese spezielle Art von Musik, die zwischen Contemporary Classical Music, Jazz und improvisierter Musik angesiedelt ist, ein Festival zu gründen bei dem wir einerseits unsere eigenen Programme präsentieren und andererseits gleichgesinnte Musiker:innen Freunde einladen.

Das Festival begann in New York und fand seine Fortsetzung in München. Wie kam es dazu?

Gregor Huebner: Das war 2014, genau vor 8 Jahren, im Shape Shifter Lab in Brooklyn, New York, wo wir mit Uri Cane seine „String Theories“ aufführten. Mit einem Jahr Corona Pause war es dieses Jahr das 7. Festival am 21./22. Oktober in der NAMA (New Amsterdam Musicians Assosiation) der ältesten African American Musiker Gewerkschaft, die um 1905 gegründet wurde. Ein wunderbarer historischer Ort für ein immer noch junges Festival.

Die Fortsetzung in München, wo das Festival nun zum fünften Mal stattfindet, kam durch die Zusammenarbeit mit dem Musiker und Komponisten Gerd Baumann, einem der Betreiber des Milla Club in München zustande. Gerd war begeistert von der Idee eines solchen Festivals und wollte den Milla Club in die gleiche Richtung führen wie zum Beispiel das LPR in New York, in dem an einem Tag Neue Musik, am andern Tag Tango und dann wieder eine Big Band oder eine Metal Band auf dem Programm stehen.

Wie stellen Sie das Programm zusammen?

Gregor Huebner: In Absprache mit Gerd für München und dem Sirius Quartet in New York und München werden einzelne Gruppe angefragt, die uns musikalisch überzeugen und die unter dem Begriff Progressive Chamber Music einzustufen sind.

Inzwischen erhalten wir sehr viele Bewerbungen, wodurch es nicht leichter wird eine Auswahl zu treffen. In New York hat die Programmauswahl in diesem Jahr ausgesprochen gut funktioniert. Die Verschiedenartigkeit der Ensembles war sehr inspirierend und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Ich hoffe natürlich, dass uns dies auch in München gelingt und bin sehr gespannt.

Sowohl Gerd Baumann wie Sie haben eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater München. Immer treten auch Absolvent:innen Ihrer Studiengänge beim Progressive Chamber Music Festival auf. Wie wichtig ist solch ein Format für die Studierenden, was für Chancen und Möglichkeiten ergeben sich für die Musiker:innen aus dem Festival?

Gregor Huebner: Durch meine Professur an der Hochschule, wo ich Jazzkomposition im Master unterrichte, komme ich immer aufs Neue in Kontakt mit sehr interessanten Musiker:innen und Künstler:innenpersönlichkeiten. So ist auch das Munich Composers Collective (MCC) entstanden. Aus diesem Pool von Komponist:innen und Instrumentalist:innen entstehen interessante Kammermusik Ensembles wie zum Beispiel das Paranormal String Quartet oder auch Lightville, die beide beim diesjährigen Festival dabei sind.

Durch Gerd Baumann, der die Komposition in der Filmmusik an der Hochschule leitet, kommen wiederum Künstler:innen zusammen, die andere Komponenten wie Elektronik und Mediale Komponenten in Ihrer Musik präsentieren und in das Festival einbringen. Wir ermöglichen ihnen die Begegnung und Auseinandersetzung mit der Arbeit anderer Musiker:innen, sowohl etablierten wie Newcomern, Teilhabe an speziellen Workshops und einen Auftritt im Rahmen eines Festivals mit entsprechender medialer Beachtung.

Neben dem Sirius Quartet, dass dieses Jahr nicht in München dabei ist, ist das oben bereits genannte Munich Composers Collective ein wichtiger Bestandteil des Festivals und bildet in aller Regel den Abschluss des Festivals. Was ist das Collective und was zeichnet es aus?

Gregor Huebner: Das Munich Composers Collective, das sich hauptsächlich aus ehemaligen Absolventen meiner Kompositionsklasse zusammensetzt, wurde im Jahre 2014 von mir ins Leben gerufen. Dabei ist die instrumentale Zusammensetzung eigenständig, so erklingen neben einer verkleinerten Bigband Besetzung (vier Saxofone/Klarinetten/Flöten, zwei Trompeten/Flügelhörner, einer Posaune und Rhythm Section mit akustischem und elektrischem Bass) auch Tuba und drei Streichinstrumente (zwei Violinen, ein Cello). Das Ensemble spielt ausschließlich Stücke von Bandmitgliedern und folgt außerdem in seiner antihierarchischen Organisation dem Geiste des 1980 in Frankfurt gegründeten Ensemble Modern. In den zahlreichen, hervorragenden Kritiken der Fachpresse zeigt sich, dass das MCC im internationalen Vergleich relevant ist, und zu einer eigenen Stimme gefunden hat. In den Kompositionen vereinen sich Elemente von Jazz und Contemporary Classical, aber auch Independent Rock und zeitgenössischer improvisierter Musik. Durch diese eigenständige Mischung will sich das MCC als künstlerisch profiliertes Ensemble verstehen, was am Anfang seiner Entwicklung steht. Dies soll mit weiteren internationalen und deutschlandweiten Konzerten gefestigt werden.

Das Progressive Chamber Music Festival ist ein großes kleines Festival? Soll es dabeibleiben oder welche Vision treibt Sie um?

Gregor Huebner: Das PCMF soll sich etablieren und kann sich natürlich in der Zukunft auch vergrößern, was aber mit einem organisatorischen Aufwand verbunden ist, der nicht nur von Sirius, Gerd und mir gestemmt werden kann. In der jetzigen Größe ist das im Moment noch möglich, stößt aber schon jetzt an seine Grenzen. In der Planung für die Zukunft ist auch ein Austausch der Ensembles und Workshops zwischen New York und München geplant, was natürlich fantastisch wäre.

Wen oder was benötigen Gerd Baumann und Gregor Huebner, um das Festival langfristig absichern, wachsen lassen und alle Ideen realisieren zu können?

Gregor Huebner: Dazu bräuchten wir dringend weitere Förderungen. Im Moment wird das Festival vom Kulturreferat der Landeshauptstadt München mit einer kleinen Förderung der Gagen für die Musiker unterstützt, was aber leider nur als ein Tropfen auf den heißen Stein bezeichnet werden kann. Wir hoffen aber, dass die mediale Aufmerksamkeit für das Festival in der Zukunft weitere öffentliche und private Sponsoren anzieht, um dieses Festival mehr und mehr zu etablieren.