SOFIA

SOFIA (Support Of Female Improvising Artists) greift eine Idee des amerikanischen Förderprogramms Sisters in Jazz auf, das zur musikalischen Weiterbildung von Jazzmusikerinnen eingerichtet wurde, ergänzt es aber um eine wichtige Komponente: Neben der künstlerischen Profilierung junger Musikerinnen geht es um die Förderung ihrer Vernetzung und Selbstvermarktung. Mit dieser Ausrichtung reagiert SOFIA auf die spezifischen Anforderungen, die gegenwärtig an junge improvisierende Musikerinnen gestellt werden, und versteht sich als Teil eines neu erwachten Trends zur gezielteren Förderung junger Musikerinnen (z.B. Take Five Europe). Aufgrund seiner eigenständigen Ausrichtung positioniert sich SOFIA im internationalen Kontext als Pionierprojekt.

Wir sprachen mit Nicole Johänntgen, Jazzmusikerin (Alt- und Sopransaxophon) und Gründerin von SOFIA

Für was steht SOFIA? Wer oder was ist SOFIA?

Nicole Johänntgen: SOFIA setzt sich für Frauen in der Musik ein. Der Name steht für Support Of Female Improvising Artists. Im Jahr 2013 habe ich zusammen mit Claudio Cappellari, Geschäftsführer des Zürcher Jazzclubs Moods, die Konferenz SOFIA ins Leben gerufen. Ich sage immer, dass es die Tochter von „Sisters in Jazz“ ist. Sisters in Jazz gehörte damals zur amerikanischen Organisation IAJE, International Association of Jazz of Education. Sie haben jährlich einmal im Jahr Frauen aus aller Welt ausgewählt um in der Band „Sisters in Jazz“ zu spielen. Ich war im Jahr 2003 mit dabei als einzige europäische Musikerin. Wir waren insgesamt sieben Frauen aus unterschiedlichen Ländern und haben eine Woche mit professioneller Anleitung zusammen eigene Songs gespielt und intensiv geprobt. Die Band war Teil eines grossen Jazz-Kongresses. Wir waren mitten im Jazz-Imperium. Umgeben von Lizz Wright, Oscar Petersen, Dave Liebman, John Pati- tucci, Elvin Jones und vielen anderen. Es war eine grandiose Zeit. Viel Spielen, neue Freunde gewinnen, super Energie und umgeben sein von der Top-Jazz- Liga. Vor einigen Jahren stoppte die Organisation IAJE das jährliche Zusammentreffen aufgrund von Geldproblemen. Fortan gab es kein „Sisters in Jazz“ mehr. Als ich davon hörte, habe ich mich an die tollen Momente zurückerinnert und fand es sehr schade, dass es diese wunderbare Plattform nicht mehr gab. Kurzzeitig dachte ich, ob ich wohl „Sisters in Jazz“ in der Schweiz weiterführen kann?

Wie entstand die Idee zu SOFIA und mit wel-chen Zielen und welcher Vision sind Sie an den Start gegangen?

Nicole Johänntgen: Nachdem ich gehört habe, dass es „Sisters in Jazz“ nicht mehr geben wird, kam in mir der Wunsch auf, den Spirit des tollen Förderprogramms weiterzutragen, weiterzuführen, weiterleben zu lassen. Der Gedanke schlummerte ca. zwei Jahre in meinem Kopf. August 2013, heisse Sommertage in Zürich, und es war Zeit, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Ich wollte „Sisters in Jazz“ weiterführen auf eine zeitgemässe Art, vermengt mit Business-Wissen und Musikmachen. Ich wollte einen eigenständigen Namen hierfür haben, und da fiel mir während einer Tour der Name SOFIA – Support Of Female Improvising Artists ein. SOFIA als Fortsetzung oder Tochter von „Sisters in Jazz“. SOFIA findet alle zwei Jahre in der Schweiz statt und vergibt sechs Plätze an Musikerinnen aus der Schweiz und dem Ausland. Das Ziel ist es, Musikerinnen international zu vernetzen, sie zu ermutigen in dem, was sie machen und machen möchten, und ihnen ein umfangreiches Wissen über das Musik-Business mitzugeben. Mir ist wichtig, dass die Teilnehmerinnen aus unterschiedlichen Ländern kommen. Der Grund hierfür ist, dass jede von uns Infos über das Land erhält, wo man eventuell später einmal eine Konzerttour plant. So kann man wichtige Infos sammeln und austauschen. Zu allen Workshops werden Dozentinnen und Dozenten eingeladen, die mit ihren Erfahrungen ihr Wissen den Teilnehmerinnen weitergeben. Musikerinnen sind dazu eingeladen, sich zu bewerben mit einem Performance-Video und einem Motivations-Video. Eine Jury wählt sechs Teilnehmerinnen aus. 2018 haben Frauen aus der Schweiz, aus England, Österreich und Tschechien einen Platz gewonnen.

Wie ist die Rolle, das Standing der Frauen im Jazz?

Nicole Johänntgen: Mich freut es, dass es immer mehr Jazzmusikerinnen gibt, die ihre eigenen Projekte voranbringen. Die eine Vision haben. Mit oder ohne Kinder auf Tour sind und mit ihrer Musik und ihrer Persönlichkeit andere Musikerinnen und Musiker inspirieren. An den Hochschulen ist es noch so, dass es sehr wenige Jazz-Dozentinnen und Jazz-Professorinnen gibt. Das muss sich ändern. ich würde es sehr begrüssen, wenn es eine Art finanzielle Unterstützung gäbe für Frauen, die auf Tour sind und auf Babysitter angewiesen sind. Beim Thema Musikerin, Familie und aktives Touren gibt es noch einiges zu tun und zu überdenken, auch in Bezug auf Mutterschutz. Das Projekt „Babysitter on tour“ würde vielen Musikerinnen und Familien helfen.

Ist es gut so, oder was muss sich ändern, und was kann SOFIA dazu beitragen?

Nicole Johänntgen: SOFIA ist ein Pool für Inspiration und Mut. Je mehr, desto besser. 

SOFIA organisiert alle zwei Jahre im März ei- nen großen Kongress in Zürich? Was passiert dort?

Nicole Johänntgen: Eine unserer Förderer ist die Zürcher Hochschule der Künste. Dort treffen sich die SOFIA-Teilnehmerinnen und das Organisati- onsteam und verbringen fünf intensive Tage miteinander. Je zwei bis drei Workshops finden pro Tag statt und beinhalten folgende Themen: Wie bewerbe ich mich effizient? Wie promote ich meine Musik? Auf was muss ich achten, wenn ich Verträge aufsetze? Wie steht es um meine soziale Sicherheit im Alter? Abends wird gemeinsam gejammt. 2018 haben wir fast täglich Jam Sessions gespielt. Nach wie vor ist dies für Musikerinnen und Musiker nicht eine ideale Plattform, um zu musizieren. Es ist eine Art Haifischbecken. Aber es ist eine gute Möglichkeit, um andere Musikerinnen und Musiker spielend kennenzulernen und zu sehen, wo man selbst steht. Das ganze Programm wird mit Yoga und Tai Chi abgerundet. Die Kurse sind ebenfalls offen für Zuhörerinnen und Zuschauer.

Wo und wie ist SOFIA präsent, und wie wird man ein Teil von SOFIA?

Nicole Johänntgen: SOFIA ist im europäischen Raum präsent. Bisher erhielt ich Einladungen aus Schweden, Bulgarien, Island, USA und Deutschland. je eine SOFIA-Konferenz im Festivalprogramm oder Schulprogramm zu präsentieren. Meistens dauern diese Sessions zwischen einer und vier Stunden. In dieser Zeit decke ich alle Themen im Musikbusiness selbst ab, erzähle von meinen Erfahrungen und gehe spezifisch auf jede einzelne Musikerin und deren Wünsche ein und gebe ihnen Mut und Inspiration mit. Es gibt Dokumentationen zu den einzelnen Konferenzen in Zürich online auf der Website (www.sofia-musicnetwork.com). Bei der grossen Konferenz in Zürich kann man mit dabei sein, wenn man sich ein halbes Jahr vor der Konferenz bewirbt. Die Bewerbungsphase dauert etwa drei Wochen. Wir achten bei der Auswahl darauf, dass sowohl Instrumentalistinnen als auch Sängerinnen mit dabei sind. Das ganze Programm ist sehr persönlich. Keine Massenabfer- tigung. Sondern wir gehen auf jede einzelne Teil- nehmerin ein, die einen Platz bei SOFIA gewonnen hat, und versuchen herauszufinden, was ihr gut tut, und sie in dem zu bestärken. Wenn man nicht ausgewählt wird, kann man sich trotzdem auch als Zuhörerin viele Workshops anschauen. Wissen soll international geteilt werden, und dafür steht SOFIA.