Kunsthalle Emden; Foto © Karlheinz Krämer/Emden

Fragen an Eske Nannen
die Eske Nannen zusammen mit Claudia Ohmert beantwortet hat.

Können Sie sich noch an ihr erstes Kunstwerk, Ihren ersten Museumsbesuch als Kind erinnern?

Mein erstes eigenes Kinder-Kunstwerk war jedenfalls eine „Nachtfee“ für die Schule, auf die ich ungeheuer stolz war. Umso größer war die Enttäuschung, als die Lehrerin sie ganz furchtbar fand. Große Kunst habe ich dann als Kind erstmals erlebt, als meine Eltern mit mir auf einer Reise die Museen in Rom besuchten.

In welchem Alter wurde Ihr Interesse für Kunst geweckt, haben Sie Kunst als Kunst bewusst wahrgenommen?

Das war tatsächlich auf Reisen, und ich bin meinen Eltern heute noch dankbar, dass sie mit der Familie solche Reisen in die Niederlande, nach Rom oder Florenz machten. Ich muss da  etwa 10, 12 Jahre alt gewesen sein.

Wer oder was hat Ihr Interesse an Kunst als Kind aufgefangen, wie wurde Ihr Interesse gefördert?

Durch meine Eltern. Und genau das möchte ich allen Eltern ans Herz legen: nehmen Sie ihre Kinder mit ins Museum, zeigen Sie Ihnen die Möglichkeiten, Kunst zu erleben. Dies einfach schon als Kind kennenzulernen, schafft eine frühe positive Prägung, eröffnet Horizonte und erleichtert auch später im Leben vieles.

Sie engagieren sich seit Jahren für die Einrichtung von Kindermalschulen in deutschen Museen, haben 1983 selbst die Emder Malschule gegründet, die 1986 in die dann neu eröffnete Kunsthalle Emden integriert wurde. Wie kam es zu dem Engagement?

Die Idee geht auf die Zeit zurück, als ich in Berlin lebte. Für meinen kleinen Sohn fragte ich damals in der Nationalgalerie nach Kunstkursen für Kinder und musste feststellen, dass es die nirgends gab und sie wegen der strengen Auflagen für Schul- und Sanitärräume nicht eingerichtet werden konnten. Das wollten wir dann später in Emden anders machen! Hier haben wir dann übrigens zeitweise sogar einen umgebauten Bauwagen, das „KiKuMobil“ durch die Dörfer und Orte der Region fahren lassen und direkt vor Ort Angebote gemacht. Wenn man will, geht vieles!

Kinder im Atelier © Kunsthalle Emden

Was hat Sie dafür inspiriert und geleitet?

Ich bin fest davon überzeugt, dass Kinder, die frühzeitig mit Kunst in Berührung kommen, gestärkt durchs Leben gehen. Es geht nicht darum, dass sie alle später Künstler werden, sondern dass sie durch Beschäftigung mit Kunst eine ganzheitliche Persönlichkeitsbildung erfahren. Und in fast 40 Jahren Malschule haben ich das bei vielen Menschen erleben dürfen.

Was macht aus Ihrer Sicht eine gute Kindermalschule in einem Museum aus?

Sie sollte kein Alibi sein, nur um einem Trend folgend auch „was für Kinder“ zu machen. Dahinter muss ein überzeugtes und ambitioniertes Team stehen, das für gute Arbeit natürlich auch Ressourcen benötigt. Wichtig ist vor allem, dass man den Kindern auf Augenhöhe begegnet sie zu aktiven Mitgestaltern macht.

Kunsthalle Emden; Foto © Karlheinz Krämer/Emden

Seit der Gründung der Emder Malschule sind 38 Jahre vergangen. Was hat sich in den Jahren grundsätzlich und im speziellen in den Malschulen verändert?

Nach all den Jahren ist die Botschaft, die ich anfangs wie der Rufer in der Wüste überallhin trug, heute doch bei vielen Institutionen angekommen. Ich höre von immer mehr Einrichtungen und Angeboten auch in Museen. Das hat sicher mit einer anderen Haltung zu kindlicher Bildung zu tun, aber auch mit dem Wunsch, damit kunstbegeisterte Menschen als künftiges Publikum zu erschließen. Für uns kann ich sagen, dass wir längst keine „Kindermalschule“ mehr sind, sondern dass rund 30 % erwachsene und ältere Teilnehmer unsere Angebote nutzen, und zwar nicht nur den Bereich Malerei, sondern auch Bildhauerei, Siebdruck, Trickfilm, Tonwerkstatt, und unzählige andere. Unsere jüngste Teilnehmerin ist   zweieinhalb, der älteste 84 Jahre alt.

Sind Sie mit dem Engagement für Kinder und Jugendliche in den Museen zufrieden, oder wo gibt es Ihrer Sicht nach noch Handlungs-, Verbesserungsbedarf?

Unbedingt müssen künftig schon bei der Planung von Museen von vornherein Räume für die praktische künstlerische Arbeit und Kunstvermittlung vorgesehen werden, und zwar nicht abgeschoben im Keller oder im Seitentrakt, sondern mitten drin. Es ist wohl immer noch ein weiter Weg, bis die Einbindung praktisch-künstlerischer Bildung und Kunstvermittlung in den Museumsbetrieb wirklich überall selbstverständlich geworden ist. Aber mit den Generationen wird sich das hoffentlich wandeln.

Labor im Museum © Kunsthalle Emden

Ist Kunst von Kindern Kunst?

Mit Gedanken zu dieser Frage könnten viele kluge Menschen dicke Bücher füllen. Ich will es nicht verneinen, aber unser Ziel ist ja gar nicht, dass in der Malschule Kunst entstehen soll, sondern dass hier die individuelle Kreativität und die eigenständige Auseinandersetzung mit Kunst und damit die Persönlichkeitsbildung gefördert werden.

Wie gelangt die Kunst der Kinder in die Kunsthalle Emden? Werden Sie in die Sammlung, in aktuelle Ausstellungen integriert, wie dies das KOLUMBA in Köln macht?

Es gibt zwar selten Ausstellungen von Malschularbeiten und immer wieder in unseren Museumsausstellungen partizipative Projekte, bei denen auch Werke von Kindern in den Dialog mit Werken der Ausstellung treten, aber das ist eine ganz klar definierte Situation. Unsere Museums-Ausstellungen selbst werden vom kunsthistorischen Team kuratiert, das diesen Projekten sehr positiv gegenübersteht, aber natürlich eine deutliche inhaltliche Unterscheidung macht. Allerdings versuchen wir auch, Ausstellunginhalte mit Teilnehmern für Teilnehmer zu gestalten. So haben sehr junge Kinder in unserem Haus als Kuratoren Ausstellungsräume gehängt und sich mit der Auswahl und Platzierung der Kunstwerke auseinandergesetzt. So ergeben sich auch für unsere Kuratoren neue Blicke auf die Sammlung.

Kinderatelier digital © Kunsthalle Emden

Hat sich das Interesse der Kinder an Kunst und den Angeboten der Malschule an der der Kunsthalle Emden über die Jahre, u.a. durch den Einfluss der digitalen Medien verändert?

Kreativität ist in jedem Medium möglich, wie früher mit neu entwickelten Drucktechniken, später in Film und Video oder jetzt mit digitalen Medien. Wenn ein neues Medium in unsere Welt einzieht, dann sind wir gefordert, ein attraktives Angebot für seine kreative Nutzung zu schaffen. Und das tut Claudia Ohmert, die den gesamten Bereich Kunst aktiv mit Kunstvermittlung und Malschule verantwortet, sehr engagiert. Schon seit dem vorigen Jahr entwickelt sie mit ihrem Team digitale Werkstätten und Angebote.

Ist es schwerer als früher Kinder und Jugendliche für ihre Angebote zu gewinnen und sie über einen längeren Zeitraum an die Kindermalschule zu binden?

Nein, schon immer mussten wir mit unseren Angeboten aktiv auf unsere Teilnehmer zugehen. Und natürlich gehen wir mit der Zeit und variieren unser Angebot. Zum Beispiel sprechen wir mit einer professionellen Siebdruckanlage eher jugendliche Teilnehmer an, die sich mit Auflagendruck oder mit der Gestaltung von Textilien beschäftigen. Mit einem Förderstipendium für besonders engagierte Jugendliche haben wir in den letzten Jahren ein Peer-to-Peer-Programm entwickelt, in dem Jugendliche als Vorbilder Angebote für jüngere Kinder mitentwickeln.

Kunsthalle Emden; Foto © Karlheinz Krämer/Emden

Was lernen Kinder aus der Kunst und Was soll, kann, muss und darf Kunst mit Kindern machen?

Kinder lernen in der Auseinandersetzung mit Kunst, dass es vielfältige Lösungsmöglichkeiten für ein und dasselbe Problem geben kann. Durch Stimulation der Kreativität werden neue Lösungen überhaupt erst möglich und vorstellbar. In der Betrachtung der Kunstwerke in den Ausstellungen lernen unsere Kinder vielfältige Positionen unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler kennen und setzen diese in Bezug zu ihren eigenen Ideen. Gerade in Zeiten wie diesen, in denen Krisen neue Ansätze erforderlich machen, scheint mir dieser offene und spielerische Umgang mit der Kunst zentral zu sein.

In der Kunst, im Tanz gibt es immer wieder sogenannte Wunderkinder, die schon früh die Säle und Bühnen der Welt bespielen und von einem straffen Management geführt werden. Warum gibt es das nicht, oder kaum in der Kunst?

Gibt es das wirklich nicht? Zumindest einzelne Fälle kommen doch immer mal in die Öffentlichkeit. Aber da sind wir schon direkt beim Thema Kunstmarkt, und damit hat unsere Malschule keine Berührung. Unser Ziel in der Malschule ist es jedenfalls nicht, „Wunderkinder“ hervorzubringen.

Kunsthalle Emden; Foto © Karlheinz Krämer/Emden

Darf Kunst von Kindern Teil des Kunstmarktes sein?

Siehe Frage 14: das ist absolut nicht unsere Perspektive und hat mit den Zielen der Malschule rein gar nichts zu tun. Ganz kurz also: nein.

Wie hat sich die Malschule der Kunsthalle Emden mit der Pandemie und der Schließung der Angebote in Präsenz „arrangiert“, und die Kinder der Malschule aufgefangen?

Unser Team wurde kreativ! Wir haben Abläufe umorganisiert, mit Fördermitteln neue Werkstätten und Outdoor-Ateliers geschaffen, neue digitale und hybride Angebote entwickelt, Räume für kleine „Kohorten“ zur Exklusivnutzung angeboten und regelmäßig per Post und digital Kontakt zu unseren Teilnehmern gehalten. Fast alle haben uns die Treue gehalten. Aber wir freuen uns schon sehr, wenn es auch hier im Malschulgebäude wieder laut und chaotisch zugeht.