Die Riesenradoper Umadum
Das Münchner Riesenrad „Umadum“ im Werksviertel-Mitte ist die zentrale „Spielmaschine“ des Bewegungstheaters Die Riesenradoper Umadum für Jazzorchester und Solist*innen. Komponist der weltweit ersten Riesenradoper ist der Wiener Komponist und Posaunist Christian Muthspiel. Ausführendes Ensemble ist das von ihm gegründete ORJAZZTRA VIENNA. Die 24 Musiker*innen werden ergänzt durch die drei Sängerinnen Eva Klampfer, Lucia Karnig und Anna Anderluh.
Das Riesenrad war immer schon Ausdruck für das Originelle, Kühne und Einzigartige. Die Größe und die Superlative stehen im Zentrum der Berichterstattung. So wurden das „London Eye“ oder das berühmte Riesenrad am Wiener Prater für ewig zum Wahrzeichen der Städte, die sie überblicken wollen. In München ist das sogenannte „Umadum“ auf bestem Wege, zum neuen Wahrzeichen Münchens zu werden. Der Name dieses knapp 80 Meter hohen Münchner Fahrgeschäfts verweist gleichzeitig auf seine Nähe zum Volkstümlichen und zur Folkore. Riesenräder verkörpern inmitten der wilden, immer schneller und halsbrecherischer werdenden Fahrgeschäfte auch etwas wie Gemütlichkeit, eine Sehnsucht nach Langsamkeit und Entschleunigung. Diese Spannung zwischen hochmodern und nostalgisch ist Teil der Faszination.
>>> Interview mit Christian Muthspiele
Vielleicht passt das Bild des unerbittlich zyklischen Auf und Ab, das in seiner unaufhörlichen Bewegung immer auch etwas Statisches hat, in keine Zeit so gut wie in die heutige, in der wir seltsam gelähmt auf das Ende der Pandemie warten; eine Zeit, in der wir isoliert in unseren kleinen privaten Gondeln sitzen, unfähig auszusteigen oder etwas an der Situation zu verändern, dabei immer mit dem Versuch beschäftigt, aus der Isolation heraus in Verbindung mit der Welt zu bleiben.
Diese Motive und Symbole mit all ihren inhaltlichen Widersprüchen und konzeptionellen, technischen und musikalischen Limitierungen und Möglichkeiten sind Aufgabe und Herausforderung für die künstlerische Konzeption der Riesenradoper. Der Kompositionsauftrag lässt sich auf eine einfache Formel reduzieren: ein Riesenrad, 27 Gondeln und 27 Musiker*innen und Sänger*innen.
Jede Gondel ist mit einem(r) Musiker*in/Sänger*in bestückt. Somit sind die einzelnen Musiker*innen quasi eingesperrt in ihre gläsernen Käfige, können aber über Kopfhörer die anderen Stimmen hören. Das Thema der mannigfaltigen Wechselwirkungen zwischen Individuum und Kollektiv liegt der Komposition als roter Faden zugrunde: Vereinzelung versus Gesellschaft, Solo versus Tutti, Quarantäne versus Begegnung.
Das Publikum kann nun zwischen drei Möglichkeiten, die Aufführungen zu erleben, wählen: Am Platz vor dem Riesenrad wird durch einen perfekten Stereo-Mix die Musik aller zusammenklingenden Gondeln hörbar gemacht, und die speziell beleuchteten Kabinen mit ihren einzelnen Musiker*innen ziehen, gut sichtbar, am Publikum vorüber. Das Innere der Gondeln wird gleichzeitig über das Videokonferenztool Zoom auf einem Split-Screen, als fragmentiertes Bild übertragen. Man kann aber auch in eine Gondel seiner/ihrer Wahl zusteigen und ist somit mit einer/einem Musiker*in direkt konfrontiert, indem nur diese einzelne Stimme des gesamten Orchestergeschehens aus nächster Nähe zu hören ist. Zusätzlich wird den zugestiegenen Gästen die Möglichkeit geboten, einen Kopfhörer aufzusetzen, und somit freie Wahl ermöglicht, zwischen dem Zusammenklang aller Gondeln im Kopfhörer und dem einzelnen Orchestermitglied in der eigenen Gondel hin- und herzuwechseln bzw. beides zugleich zu hören. Somit wird das Publikum auch zum Mitspielenden und dazu animiert, zwischen den drei Möglichkeiten der Wahrnehmung zu pendeln und mehrere Perspektiven des Hörens und Sehens einzunehmen und zu erfahren.